Make vs. Buy – wir sollten die Fertigungstiefe in der IT überdenken
Die Digitalisierung erfasst alle Wirtschaftsbereiche, schafft neue Märkte und verändert vor allem das Kundenverhalten in rasanter Geschwindigkeit. Heute muss alles, zu jeder Zeit, an jedem Ort verfügbar sein. Die Kunden wünschen sich maßgeschneiderte Produkte und Services, die über alle Kanäle zu erreichen sind.
Um mit dieser Entwicklung Schritt halten zu können, benötigen Unternehmen leistungsfähige Systeme und digitale Plattformen. Dies schaffen viele Unternehmen jedoch nicht aus eigener Kraft, da ihnen oftmals die technologischen Kompetenzen fehlen, die die neuen Themen rund um Cloud, künstliche Intelligenz und Digital Marketing mit sich bringen.
Kurz gesagt: Alles selbst zu machen bringt nichts.
Entscheidungskriterien: Customizing und Wettbewerbsvorteil
Das folgende Schaubild gibt eine Entscheidungshilfe, wie man auf Basis der Kriterien Customizing – also der Notwendigkeit der individuellen Anpassung und dem damit verbundenen Aufwand – in Relation mit dem daraus generierten Wettbewerbsvorteil eine Einteilung der Software-Lösungen und Dienste vornehmen kann.
Quadrant | Beschreibung |
---|---|
Commodity Software |
Software, die in der Regel ohne signifikante Anpassungen eingesetzt wird, bspw. Office Software. Der Einsatz dieser Software ist obligatorisch. Wettbewerbsvorteile ergeben sich nicht, weil auch Marktbegleiter ähnliche Systeme besitzen. |
Fi/CO – ERP Dienste |
Enterprise Resource Planning Software für eine sehr gute Unterstützung der kaufmännischen Unternehmenssteuerung. Allerdings ist das Problem folgendes: je umfangreicher die Unternehmensprozesse unterstützt werden sollen, desto höher wird der Customizing Aufwand. Der Wettbewerbsvorteil ist nicht signifikant. |
Added Value / Spezial Software |
Werden meist eingesetzt in Verbindung mit eigenen Innovationen, um Dienste zu nutzen die nicht zum Kerngeschäft gehören. Beispiele: Customer Identity and Access Management Lösungen, Navigationsdienste, Adressdienste, CAD Software, Rechen-Bibliotheken |
Eigene Innovationen |
Software, die es ermöglicht individuelle, einzigarte Services für Kunden und Produkte anzubieten. Beispielsweise: Collaborations-Plattformen für den direkten Kundenkontakt oder Web APIs für Dienste die Dritte einfach verwenden können. |
Mit der vorliegenden Darstellung ist die Entscheidung im Grunde sehr einfach, wenn da nicht die üblichen Fallstricke wären:
Produkte sind nicht bekannt: Vor dem Internet-Zeitalter ein nicht unerhebliches Problem. Allerdings gibt es heute sehr gute Recherchemöglichkeiten und mit einer zielgerichteten Suche lassen sich gute Lösungen finden. Der Aufwand für die Gegenüberstellung ist allemal geringer, als alleine schon die Konzeption einer Lösung.
Das Produkt bietet viel mehr, als wir derzeit benötigen: Das ist insgesamt ja beruhigend, offensichtlich wurde an Features gedacht, die zu einem späteren Zeitpunkt den Unterschied machen können. Die Meinung, dass eine kurzfristige Eigenentwicklung Geld spart ist in der Regel nicht richtig, weil die Weiterentwicklung und Pflege der Software unnötigen Aufwand bedeutet und Wissen permanent auch in Randbereichen vorgehalten werden muss.
Diese Software kann mit OpenSource schnell selbst entwickelt werden: Das ist ein sehr gutes Argument, was allerdings nur für eigene Innovationen sinnvoll ist, weil diese Software Wettbewerbsvorteile bringt und eine Individualisierung aus diesem Grund angebracht ist. Für Commodity Software oder Spezial-Software ist dies meist kein sinnvoller Ansatz aufgrund des kontinuierlichen Aufwands und der notwendigen Zeit.
Das vorgestellte Produkt bietet Vorteile, aber wir haben bereits eine Lösung implementiert: Eine Lösung durch eine andere zu ersetzen ist nur dann sinnvoll, wenn permanent Ressourcen benötigt werden, um das System weiterzuentwickeln bzw. die Features der Lösung in Kürze nicht ausreichen. Allerdings sind mit diesem Vorgehen meist versteckte IT-Kosten verbunden, die den Fokus auf das Kerngeschäft verhindern.
Diese Argumente machen es mitunter sehr schwer zur bestmöglichen Entscheidung zu kommen. Würden diese Aussagen objektiv bewertet, bspw. mit einem KI-Algorithmus, käme der Faktor Mensch nicht so stark ins Spiel und das Ergebnis würde lauten: Warum sollte man eine Software selbst entwickeln, wenn es schon Softwares-Services gibt, die dieselben Funktionalitäten besitzen?
Tatsächlich lassen sich ansonsten drei Top Gründe für eine Standardsoftware identifizieren, die insbesondere für Lösungen mit wenig Customizing Aufwand gelten.
1. Kürzere Time-to-Market und höhere Budgetsicherheit
Der Entwicklungsaufwand sowie der Anpassungs- und Integrationsaufwand sind die treibenden Faktoren hinsichtlich Zeit und Kosten. Die Opportunitätskosten, die zwischen der Identifizierung des Bedarfs und der Produktivsetzung der eigentlichen Lösung verlorengehen, überwiegen bei Eigenentwicklungen oftmals. Besitzt eine Software Standardschnittstellen, dann ist der Integrationsaufwand in der Regel gering. Die Software ist dann im Grunde auch schnell wieder austauschbar. Kann man Software out-of-the-box verwenden, dann verkürzt sich der Time-to-Market Zyklus und die Kosten beschränken sich auf die Lizenzierung. Eine sehr gute Kombination ergibt sich zusätzlich noch, wenn die Software als Cloud-Service genutzt werden kann. Dann sind die Betriebsführungskosten nämlich völlig bedeutungslos.
Zusätzlich sollte man die Fragestellung nicht vernachlässigen, ob man überhaupt genügend qualifiziertes Personal verfügbar ist. Oftmals geht man an ein solches Projekt zu vage heran und denkt, man könne eine adäquate Lösung mit Leichtigkeit selbst entwickeln und merkt erst in einem späteren Stadium, dass dediziertes Fachwissen von Nöten ist, das im laufenden Betrieb aber gar nicht verfügbar ist. Wenn das nötige Personal vorhanden ist, geht mit der Eigenentwicklung immer noch eine enorme Ressourcenbindung einher, die speziell in der Anfangsphase extrem viel Zeit und Geld frisst.
Entscheidet man sich für ein Produkt „out-of-the-box“, dann ist nicht nur die Produktivsetzung in kürzerer Zeit möglich, sondern es ist auch die Budgetsicherheit gegeben. Die Kosten sind von Anfang an kalkulierbar und es muss kein Personal vorgehalten bzw. Budget in das Ausbilden des Know-Hows gesetzt werden.
2. Betriebsführungskosten und die Weiterentwicklung werden meist unterschätzt
Für die Betriebsführung sowie die Weiterentwicklung benötigt man IT-Experten und eine Roadmap, ansonsten entstehen schnell noch weitere Kosten bedingt durch verpasste Lifecycle Management Maßnahmen.
Spätestens bei diesem Argument spricht vieles dafür, die Fertigungstiefe geradezurücken und den Fokus bei Eigenentwicklungen auf „eigene Innovationen“ zu richten. Ein gutes Softwareprodukt bietet ausgereifte Funktionen, einen professionellen Support und laufende Aktualisierungen ohne Kostenumlage.
Ernsthaft dürfte heute kaum darüber diskutiert werden, ob man in die Eigenentwicklung investiert bei
- Commodity Software, wie Office-Pakete oder Web-Konferenzsysteme
- Spezial Software/Services, z.B. für Security oder Maps
- Software für die Finanzbuchhaltung
Zu den Security Produkten gehören auch Customer Identity and Access Management Lösungen (CIAM), die zunehmend Verbreitung finden. In der Vergangenheit hat man diese Art Software vereinfacht durch ein Login mit Benutzerkennung und Passwort in Kombination mit einer simplen Datenbank gelöst. Diesen Stand haben heute noch viele Systeme. CIAM ist allerdings viel mehr: es bietet Social Logins, Einwilligungsmanagement nach DSGVO, passwortlose Authentifizierung, Biometrie, Single Sign-In (SSO), Absicherung der eigenen Web-Schnittstellen und viel Benutzerkomfort. Sie lassen sich im Allgemeinen einfach in die Softwarelösungen integrieren.
Am Beispiel der CIAM Lösung cidaas werden folgende Szenarien verglichen:
- Eigenentwicklung einer stark vereinfachten Basisvariante nur für die Implementierung des Benutzer Logins
- Entwicklung einer Lösung ähnlich eines durchschnittlichen CIAMs
jeweils im Vergleich mit der Verwendung von cidaas.
Das folgende Diagramm CIAM Buy vs. Basic Login Make zeigt eine rein kostentechnische Gegenüberstellung von einem cidaas Essentials Plan, einem cidaas Standard Plan und der Eigenentwicklung einer Basis Login Funktion für webbasierte Applikationen. Die Individualentwicklung verliert bei dieser Betrachtung, weil sowohl Entwicklungskosten als auch die Kosten für den Betrieb im Unternehmen gegenüber der Standardlösung immens höher sind. Der dargestellte Integrationsaufwand ist vergleichsweise gering und fällt deshalb nicht ins Gewicht. Der Funktionsumfang des Standardprodukts ist bereits bei diesen Plänen wesentlich umfangreicher, als die Eigenentwicklung.
Für sehr große Unternehmen mag die Entwicklung eines eigenen CIAM in Betracht gezogen werden, was in seltenen Fällen auch sinnvoll sein kann. Allerdings sind die anfänglichen Entwicklungsaufwände extrem hoch und der Einführungszeitpunkt erfolgt sehr spät. Das folgende Diagramm CIAM Make vs. Buy zeigt die Kostenverteilung auf vier Jahre. Es wird in diesem Vergleich davon ausgegangen, dass eine gerademal durchschnittliche CIAM Funktionalität entwickelt wird. cidaas Pro und Enterprise baut auf Big Data Technologien und KI auf und integriert moderne biometrische Authentifizierungsverfahren, die mit dem dargestellten Aufwand nicht zu machen wären.
Darüber hinaus darf man nicht außer Acht lassen, dass eine individualisierte Software eine Momentaufnahme des bisherigen Business darstellt und keinesfalls gewährleistet, dass diese ohne größere Entwicklungsaufwände auch zukunftssicher ist.
3. Auf die eigenen Kernkompetenzen konzentrieren
Die Informationstechnologien (IT) entwickeln sich seit Jahrzehnten rasant weiter und während in der Vergangenheit noch die Unterstützung durch die IT, dann die Automatisierung mit IT im Vordergrund standen, werden heute neue Geschäftsmodelle geschaffen dank moderner und leistungsfähiger IT Konzepte.
Auf der einen Seite gibt es immer mehr und bessere IT-Lösungen für Konsumenten und Unternehmen, auf der anderen Seite gilt es die modernen IT Konzepte für die eigene Geschäftsentwicklung zu nutzen.
Die digitale Transformation lässt sich nur dann erfolgreich gestalten, wenn man altes loslässt und neues wagt. Softwarelösungen, die für Differenzierung von Marktbegleitern sorgt und das eigene Business voranbringen, sollten im Fokus stehen.
Es ist grundsätzlich ratsam auf diesem Weg Softwareservices und -produkte in diese Softwarelösungen zu integrieren, um die eigene Fertigungstiefe im Griff zu behalten und Time-To-Market und Innovation zu schaffen.
Als Produkthersteller können Unternehmen mit zusätzlichen (IT) Services echte Mehrwerte schaffen. Ist ein Unternehmen Servicegeber gilt es die Services effizient auf die Produkte auszurichten.
Fazit
Die Fragestellungen in der IT müssen lauten: Welche Wettbewerbsvorteile haben wir, wenn wir die Software selbst entwickeln und betreiben? Wie hoch ist der Integrations- und Customizing Aufwand bei der Auswahl eines Softwareprodukts? Welche Opportunitätskosten entstehen oder andersrum, was könnte man anstatt der Softwareentwicklung bzw. dem Betrieb Sinnvolles schaffen?
Immer wenn man eigene Innovationen für seine Produkte und Dienstleistungen schaffen möchte sind individuelle Entwicklungen voraussichtlich zielführender. Offensichtlich verfügbare IT-Services sollten in jedem Fall verwendet werden, um Fertigungstiefe, Kosten und Time-to-Market im Blick zu behalten.
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